7/18/2006

Problembären blasen zur Jagd

Die Euphorie (oder wie ein ehemaliger Fußballtrainer zu sagen pflegte: "Jetz´ bloß keine Europhie") des Anfangs ist verflogen und die Gedanken richten sich langsam und doch überhaupt nicht systematisch auf die zahlreichen Hausarbeiten, die diesen Sommer entstehen sollten und zack - wurde dieser Blog über eine Woche lang nicht mehr bespaßt. ´Tschuldigung.
Jetzt will ich aber mal schnell was einschieben und die Gründe für mein momentanes Power-Studium erläutern. ("Power-Studium" natürlich gemessen an meinem gewöhnlichen Aufwand, dem Idealzustand eines Geisteswissenschaftlichen Studiums und so; nicht an einem BA-"Studium" oder vergleichbaren Zurichtungen) Ich will da raus. Und zwar aus der Uni, eigentlich ein Ort an dem ich mich gerne aufhalten sollte und wollte, aber wie so oft ist hier die Praxis vom abstrakten Idealzustand weit entfernt. Das ist aber im Gegensatz zu dem was uns immer wieder erzählt wird nicht zwangsweise so, der Lauf der Geschichte oder der Geschicke oder gar "menschlich" (muss man mit dem Begleitseufzer lesen, der diesem Wort meist unterlegt wird).
Der handfeste Grund, der mir momentan die Lust am lernen und diskutieren nimmt kommt jetzt:
Letzte Woche haben unser Problembär Beck und seine auch als SPD bekannte Mehrheitsfraktion "Die roten Sozialstaatsjäger" für mich Studiengebühren beschlossen. Weil ich in Hessen wohne und in RP studiere, gilt die propagandistisch ausgeschlachtete "Studiengebührenfreiheit in den SPD-regierten Ländern" für mich und einige tausend KommilitonInnen also nix, null. (Übrigens war das Presse-Echo auf diesen Beschluss, der doch allemal die Kriterien erfüllt um als berichtenswert zu gelten - Nachrichtenfaktor: "ungewöhnlich" - doch sehr zurückhaltend) Der Wissenschaftsminister Zöllner hat aber versichert, dass diese Regelung wieder zurückgenommen wird, wenn sich die deutschen Bundesländer auf ein Finanzierungsmodell ohne Gebühren geeinigt hätten. Darauf kann ich jetzt warten. Oder ich gewöhne mich daran, pro Monat im Schnitt eine Hausarbeit fertigzumachen - neben dem regulären Studium und zwei Jobs. Fertigmachen werde ich damit - vor allem - mich. Zeot fürs Bloggen und erst recht für mal ein Buch lesen über das kein Referat zu halten ist...
Aber das war dann auch mehr als genug gejammert für heute. Denn einen Vorteil hat das Studium 2.0 xtra schnell: Aus diesem gleichgeschalteten Ausbildungs- und Zurichtungsbetrieb mit seinem akademischen Mief und den Zauberlehrlingen, die mit Zwanzig schon wie Maschinen funktionieren, wollte ich sowieso seit dem zweiten Tag wieder weg!
Und etwas macht mir Hoffnung: Ich kann kämpfen und ich weiß gegen wen!

7/06/2006

Zustände oder ein Dorf in Deutschland

Che Guevara, diesen herausragenden Kämpfer für die Würde des Menschen, hat irgendein Feldwebel der bolivianischen (nicht der bolivarischen wohlgemerkt) Armee in dem Kaff La Higuera, ohne Gerichtsverhandlung erschossen. Einer der vielen, die sich Che´s Identität für ihre Zwecke geliehen haben, tut das für einen guten Zweck. Er ist ein Linksblogger und er hat mich auf diese Seite aufmerksam gemacht. Hinzuzufügen ist dem eigentlich nichts. Außer die Bitte dem Link zu folgen und nach dem Lesen nicht in völlige Apathie zu verfallen. Es liegt einfach noch viel Arbeit vor uns!

7/04/2006

Laienbrüder im Orden des Fußes

Eigentlich wollte ich meine durch anderer Leute Krankheit unerwartet verlängerte Mittagspause nutzen, im Schatten dösen und die aufgrund fegefeuerhafter Hitze in der Nacht zuvor verpassten Stunden Schlaf nachholen. Das ging jedoch nicht. Einige Meter weiter hatte sich eine Lerngruppe, bestehend aus Studenten der Rechtswissenschaften zusammengerottet. Nun, zuerst schien das kein Problem zu sein. Ein angenehmes Murmeln in einiger Entfernung kann auch einschlaffördernd wirken. Dieses aber war kein Murmeln und es war auch nicht angenehm. Ich vermute, dass viele Besucher dieses Blogs (ihr seid im Schnitt 15 pro Tag und werdet ausgewertet!) gewisse Vorurteile gegen Studenten der Rechtswissenschaften hegen. So platt aber ist diese Geschichte nicht. Nein, tussig waren die nicht, meine Augenwinkel empfingen keine rosa Spektralwellen und sie sprachen auch nicht über meinHausmeinAutomeineFrau. Sie sprachen, wie es dieser Tage allerorten geschieht, über Fußball. Das ist schlimm. Das die Leute ees allerorten tun im allgemeinen und das es diese Lernrotte in meinem Nachbarbaumschatten tat im speziellen. Nun liebe ich Fußball. Nicht trotzdem, sondern deswegen bin ich böse. Die Leute, das Volk, man, der verdammte Pöbel hat keine Ahnung von dieser Sportart. Sie sollen sich da gefälligst raushalten. Einmal an einem Südbahnhof wurde ich Zeuge dieses (oder eines ähnlichen) Gesprächs: circa zwanzigjähriges, sich mit den Händen von der Bank hochstützendes Mädchen: „Hast Du das Brasilienspiel eigentlich gesehen?“ darauf das sich nicht mit den Händen hochstützende, circa zwanzigjährige Mädchen: „Ja, war aber nicht so gut. Den Ronaldinho haben sie schon nach einer Stunde ausgewechselt.“ Darauf wieder das circa zwanzigjährige, sich mit den Händen von der Bank hochstützende Mädchen: „Naja, der taugt eh nichts. Zu dick.“
Nun, den Leuten, die sich nicht für Fußball interessieren und deshalb auch die WM in Ruhe lassen, sollte kurz verraten werden, dass zwar stimmt, was mir der O-Ton einer Mainarena-Besucherin eines grauenvollen Morgens aus dem Radiowecker entgegenschnarrte: „Rrronaldinho hat ´ne Hackfrrrässe.“ (Mehr zu dem HR3-Problem meiner Freundin) Zugleich, das verriet mir – ebenfalls gegen meinen Willen – eine Freundin meiner Geliebten, hat er aber auch einen scheinbar sogenannten „Booaah“-Oberkörper. Ronaldo hingegen hat Übergewicht, spielte trotzdem durch oder fast und schoss irgendwas zwischen ein und zwei Toren in besagtem Vorrundenspiel. Die sich nicht Hochstützende ließ das unkommentiert. Sie ist entweder sehr höflich oder ebenso ignorant wie ihre Bekannte.
Damals wurde ich zum erstenmal richtig böse. Vorher habe ich es mit Lust am Grummeln stets gut ertragen können, wenn die Menschen nach einem längst angezeigten Abseitstor aufsprangen und mir dadurch die Möglichkeit verstellten, die Wiederholungen zu schauen. Das waren nämlich alles meine Freunde, die sonst nie mit mir Fußball gucken. Ja ich weiß Mama, ich messe wieder mit zweierlei Maß. Freute mich also natürlich, mal nicht alleine unter den Beckmännern oder perfekten Viererketten leiden zu müssen.
Ich schweife wohl ab, zurück zu der aus dem stickigen Neubau Rechts- und Wirtschaftswissenschaften geflohenen Lernrotte im Nachbarschatten. „Die Italiener haben dafür gesorgt, dass unser Frings nicht spielen darf.“ Ich hatte vorher schon erlauscht, dass sie sich gerade aus der Bildzeitung informierten. Am lautesten schrie das einzige Mädchen der Gruppe. Sie beherzigte den Ausspruch „Wovon man (frau) nichts zu sagen weiß, darüber soll er (sie) schweigen“ nicht. Eine Grund dafür, dass ich mich an der Art der vielen saisonal bedingten Fußballfans so störe, ist wohl, dass es für die Leute dann besonders einfach ist parteiisch zu sein, wenn sie vom Gegenstand keine Ahnung haben. Die hiermit allen Fußballfreunden empfohlene Sportredaktion der Süddeutschen Zeitung nämlich, behält in Deutschland-Delirium und Fußball-Fieber einen bemerkenswert klaren Kopf. Sie berichtete mir, dass der angeblich gezielt gestreute Skandal darin bestand, dass eine Zeitung auf der vierten Seite des Sportteils das Bild vom (eindeutig erkennbaren) Fringsschen Faustschlag bei der Aftermatch-Rangelei gegen Argentinien gedruckt hat und der Sender Sky Italia der Sache auf den Grund gegangen sei. Der italienische Verband streitet ab, einen Ausschluss von Frings gefordert zu haben. Aber mal abgesehen von alledem, sie hätten es ruhig tun können, sie hatten ja Recht. Aber was spielt das schon für eine Rolle, wenn eine (solche) Nation im Patriotismus versinkt.
Meines Wissens hat mein Sitznachbar, der mit mir in einer links-alternativen Kneipe das Spiel geguckt hat, nicht wie angekündigt die Pizzeria meines Fußballtrainers Antonello auseinandergenommen. Übrigens hat er natürlich auch nach jedem brutalen Foul der deutschen Mannschaft den Schiedsrichter beschimpft. Anderswo wurde allerdings randaliert, wenn auch wohl nicht gegen lebende Italiener... (oder doch? Einer Presse, die bei den aktuellen Studentendemos von Ausschreitungen spricht, aber wenn im ganzen Land besoffene Nationalisten randalieren mit lockerer Stimme von Einzelfällen berichtet, trau´ ich irgendwie nicht so...)
Ich kann diese Leute nicht ausstehen. Die aus den Mainstream-Medien nicht und die Pseudo-Fußballfans auch nicht.
Egal, abgehakt. Fast abgehakt: Nur noch vier Tage und die Fahnen sind schon weg!
Gebt mir mein Spiel zurück!

7/02/2006

Manifest



Für mehr schlafen, mehr lesen, mehr zum Nachdenken kommen und kommen wollen, mehr Unterschiede aushalten, mehr zuhören, mehr demonstrieren damit der Frust rausgeht, mehr Frust aufbauen damit wieder demonstriert werden kann, mehr auf gute Menschen zugehen können und wollen, mehr Konsequenz, mehr Fotographie, mehr Verlieben, mehr trotzdemtreubleiben, mehr bloggen, mehr linkhinweise beachten, mehr Mut vor dem leeren Blatt Papier, mehr Gespräche im Radio, mehr Kultursender im Fernsehen, mehr Kritik üben und ertragen können und wollen, mehr Drogen wenn´s geht, mehr mit den Drogen aufpassen wenn´s nicht geht, mehr Klassiker, mehr Kreativität, mehr Sommer, mehr Solidarität, mehr Liebe, mehr Zeit, mehr Zeit vetrödeln, mehr Straßencafés, mehr Schattenplätze, mehr Schlittschuhlaufen, mehr Schnittblumen, mehr Obst aus dem eigenen Garten, mehr Jasmin, mehr Espresso, mehr Philosophie, mehr verständliche Sätze, mehr Bildung, mehr sinnloses weil unverwertbares Wissen, mehr Arbeitskämpfe, mehr Rüstungskontrollen, mehr Entwicklungshilfe, mehr Staatsfirmen, mehr Graffiti, mehr Melancholie, mehr Musik, mehr guten Käse, mehr Rotwein, mehr Jazz, mehr Gemälde, mehr Livekonzerte mehr Besucher auf diesem Weblog, mehr Kommentare und Ergänzungen für dieses so unvollständige Manifest...